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Bericht zur Studie “Working Memory Capacity as Controlled Attention in Tactical Decision Making”

Vor kurzem stieß ich auf eine interessante Studie. Die sportpsychologische Untersuchung „Working Memory Capacity as Controlled Attention in Tactical Decision Making“ (übersetzt: Das Arbeitsgedächtnis als kontrollierte Aufmerksamkeit in taktischer Entscheidungsfindung) untersucht dabei, wie Sportler dank des Arbeitsgedächtnis den Einfluss intrinsischer und extrinsischer Ablenkungen ausschalten können. Die Autoren Furley und Memmert nehmen dabei Bezug auf die Leistung des Arbeitsgedächtnisses bei der Beibehaltung wichtiger, aktionsrelevanter Informationen bei gleichzeitiger kognitiver Belastung.

Die Autoren untersuchen deswegen das Arbeitsgedächtnis als ursächlich für richtige oder falsche spieltaktische Entscheidungen im Sport mit zwei Experimenten. Die Fragestellungen lauteten dabei für Experiment 1, ob

(i)                 Athleten mit einem leistungsstärkeren Arbeitsgedächtnis besser beim Ignorieren von Ablenkungen bei gleichzeitigem Fokus auf ihre sportliche Aufgabenstellung sind.

(ii)               Athleten mit einem leistungsstärkeren Arbeitsgedächtnis effizienter beim Lösen von reaktiven Aufgaben durch taktische Entscheidungsfindung statt einer immanenten situationsunpassenden Entscheidung sind.

(iii)             Athleten, die sich im Alltag selbst als leicht ablenkbar beschreiben, weniger gute spieltaktische Entscheidungen treffen und ein schwächeres Arbeitsgedächtnis aufweisen.
Beim zweiten Experiment wurden zwei Hypothesen formuliert, die behaupteten, dass

(i)                 Athleten mit starkem Arbeitsgedächtnis weniger wahrscheinlich „blind“ den taktischen Vorgaben eines virtuellen Trainers folgen würden, wenn sie suboptimal wären, sondern sich situativ anpassen würden.

(ii)               keine Unterschiede festgestellt würden, wenn keine Anpassung nötig wäre.

 

Methode

Im ersten Experiment wurden Basketballspieler mit durch einen Test gemessenem leistungsstarkem oder leistungsschwachem Arbeitsgedächtnis per Kopfhörer unter Beschallung von irrelevanten Wörtern mit festgelegter Erwähnung ihres Namens bei einer sporttaktischen Entscheidungsfindung in einem abgegrenzten Zeitintervall getestet. Jene, mit starkem Arbeitsgedächtnis, sollten ihren Namen bei der Erwähnung seltener bemerken und die Aufgabe dabei besser erfüllen. Als letzter Punkt sollte noch eine Verbindung zwischen der selbsterklärten Ablenkung im alltäglichen Leben der Athleten und einem niedrigen Wert beim Arbeitsgedächtnis gefunden werden.

36 männliche und 33 weibliche Athleten wurden getestet, aus statistischen Gründen wurden die oberen und unteren 20% als jene mit einer hohen respektive niedrigen Spanne bei der Leistung ihres Arbeitsgedächtnisses gewählt. 28 davon (16 männliche und 12 weibliche) wurden zum zweiten Teil des Experiments eingeladen. Die Athleten stammten aus unterschiedlichen Ligen, von Amateur bis Halbprofi in Deutschland. Weder Alter, Geschlecht noch Qualifikation sollten signifikante Unterschiede in der statistischen Auswertung aufzeigen.

Im ersten Teil des ersten Experiments wurden auf dem Computer unterschiedliche Formen mit unterschiedlichen Farben gezeigt. Sie sollten nur eine Figur bei passender Farbe zählen und später in richtiger Reihenfolge die gesamte Reihe wiedergeben. Dadurch wurde die Leistung des Arbeitsgedächtnisses gemessen. Daraufhin wurde mit einem „Cognitive Failure Questionnaire“ die Ablenkungshäufigkeit und –intensität im Privatleben gemessen.

Zuletzt wurde die komplexe taktische Entscheidungsfindung gemessen. Mit einem Fernsehstandbild wurden Bilder aus Basketballspielen gezeigt, bei welchem die Athleten die in ihren Augen bestmögliche Entscheidung wählen sollten. Diese Standbilder wurden zuvor von zwei Besitzern der zweithöchsten Trainerlizenz im Basketball eigenständig bewertet und nur jene Bilder wurden gewählt, wo beide die gleiche Meinung teilten.

Die Teilnehmer konnten aus 116 Szenen eine von drei Entscheidungen (dribbeln, passen, schießen) wählen und jeder Stimulus wurde für 1000ms gezeigt mit einem 750ms Fadenkreuz davor. Für 56 Versuche (98 Sekunden) wurden sie von zwei monotonen Frauenstimmen abgelenkt, die Vornamen wurden jeweils von der gleichen Frauenstimme vorgetragen.

Beim zweiten Experiment wählte man Eishockeyspieler, welche sich wegen eingeübter taktischer offensiver Spielzüge besser für die Testung eignen. 55 männliche Eishockeyspieler, von erster bis dritter Liga, wurden getestet und durchliefen den gleichen Vortest zur Leistung des Arbeitsgedächtnisses wie die Basketballspieler im ersten Experiment. Das Ergebnis entsprach statistisch dem wie in Experiment 1 und die „high“- bzw. „lower-span“ Athleten wurden in einem oberen und unteren Viertel klassifiziert.

Auch hier wurden Standbilder gewählt und nach gleichen Kriterien wie in Experiment 1 ausgewählt, wenn auch mit 26 Standbildern weniger. Es gab allerdings zwei unterschiedliche Varianten dieses Testes: entweder eine normale Spielsituation mit taktischer Entscheidung oder eine neue Situation nach einem time-out. Jeder Athlet hatte 60 solcher Szenarien, präsentiert für 1000ms und 3000ms zur Entscheidungswahl.

Bei der time-out-Situation kam hinzu, dass durch einen virtuellen Coach Informationen gegeben wurden, welche die taktische Komplexität der Situation erhöhten, da sie entscheiden mussten, ob der Ratschlag bzw. die gegebene Information situativ passend waren. 30 solcher Szenarien wurden präsentiert.

Ergebnisse

Bei Experiment 1 wurde eine signifikante Korrelation zwischen dem Entdecken ihres Namens und niedrigen Erfolgswerten bei Probanden mit leistungsschwächerem Arbeitsgedächtnis gefunden. Diese haben 15mal so oft ihren Namen gehört, als die Gruppe mit dem besseren Arbeitsgedächtnis. Gleichzeitig schnitten letztere deutlich besser bei ihren taktischen Entscheidungen ab. Dank der Fragebögen konnte auch die dritte Hypothese zum ersten Experiment korrekt bestätigt werden: jene, die im Alltag leichter abzulenken waren, schnitten schlechter ab und hatten eine schwächeres Arbeitsgedächtnis. Auch beim zweiten Experiment trafen sämtliche Hypothesen zu. Die Athleten mit besserem Arbeitsgedächtnis befolgten halb so oft „blind“ einen Ratschlag und passten sich öfter adäquat an die Situation an (70:50%).

Diskussion

Jene Athleten mit besserem Arbeitsgedächtnis schnitten besser ab und konnten ihre Aufmerksamkeit in komplexen Situationen kontrollieren, wodurch sie in taktischen Spielsituationen öfter die richtige Wahl treffen konnten. Dennoch kann nicht pauschalisiert werden, dass Akteure mit niedrigerer Arbeitsgedächtnisleistung in anderen Sportarten oder durchgehend schwächere Ergebnisse bringen, weil die Messung unter Laborbedingen statt in einer Feldstudie geschah. Darum wird eine künftige Forschung in diesem Bereich empfohlen, um eine mögliche Nutzbarmachung für Manager, Trainer oder ähnliches zu generieren.

Diese könnten erst bei einer signifikanten Bestätigung dieser Theorien unter Wettkampf- und Feldbedingungen Tests zur Leistung des Arbeitsgedächtnisses zur Spielerwahl nutzen. Allerdings muss auch erforscht werden, ob eine Verbesserung des Arbeitsgedächtnisses direkte Auswirkungen auf die Leistung in der jeweiligen Sportart erzeugt. Dabei wird erwähnt, dass solche Versuche zuvor als erfolglos bewiesen wurden.

Spielverlagerung führt aus

Es resultieren außerdem zwei weitere große Fragen: wie kann man die aktuellen Erkenntnisse nutzen und wieso äußert sich eine Verbesserung des Arbeitsgedächtnisses bislang nicht signifikant in der Leistung in der jeweiligen Sportart?

Die erste Frage lässt sich relativ einfach beantworten: Messungen an Neuzugängen oder bei Jugendspielern können Aufschluss darüber geben, ob er sich bei spieltaktischen Vorgaben intelligent verhalten wird, wie er die Vorgaben umsetzt und ob er sich strikt (oder gar dämlich) daran hält. Somit könnte durch die Messungen rein theoretisch eine Mannschaft zusammengestellt werden, wo man weiß, welche Spieler wie komplexe Aufgaben erfüllen können oder nicht. Allerdings sollte es auch in dieser Richtung zusätzliche Forschungen geben, um zu eruieren, ob dies auch der Fall ist. Vereinzelt könnten Spieler außerdem ihr Arbeitsgedächtnis verbessern, ohne die Leistungen auf dem Platz, wie es ja am Ende des Artikels angemerkt wird.

Hier sollten die künftigen Forschungen in folgende Richtung gehen: was ist jene Störvariable, welche diese Wechselwirkung zwischen der Verbesserung des Arbeitsgedächtnisses und seiner Kapazität sowie der Erhöhung der Leistung im spieltaktischen Bereich stört? Eventuell liegt es in der Nutzung der Physis, den komplexeren Anforderungen

Wird diese Frage beantwortet, könnte die Nutzung eines spezifischen Trainings des Arbeitsgedächtnis zur Verbesserung der spieltaktischen Entscheidungsfindung genutzt werden; beispielsweise in Form von Videospielen mit vom Trainer vorgegebenen Szenarien, in welcher die Lösung der Situation den mannschaftsphilosophischen Umständen entspricht.

Die Studie findet man hier:

Furley, P.A., & Memmert, D. (2012). Working memory capacity as controlled attention
in tactical decision making. Journal of Sport & Exercise Psychology, 34, 322-344.

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