Dass viele unserer Autoren als Trainer tätig sind, dürfte niemanden mehr weiter überraschen. Spätestens seit „Fußball durch Fußball“ herausgegeben wurde, sind auch die grundsätzlichen Prinzipien einer zeitgemäßen Trainingsweise nach aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisse ausführlich dargelegt. Nun ist es an der Zeit, dieses ganzheitliche Konzept weiter mit Inhalten aus der Praxis zu füttern – davon lebt es letztlich und darauf ist seine Weiterentwicklung auch ausgerichtet.
Zu diesem Zwecke werden an dieser Stelle, in ähnlich loser Form wie beim SV Mailbag, nun häufiger einmal unterschiedliche Artikel erscheinen. Einerseits wird es allgemeiner gefasste Themenblöcke geben, die Gestaltungsmöglichkeiten auf eher strukturelle Art und Weise thematisieren. Andererseits gehören auch Beiträge über einzelne, ganz konkrete Trainingsformen zum Repertoire. Alles zur Anregung eines aktiven Mitdenkens in vergleichsweise prägnanter Form.
Die Inhalte verknüpfen technische, taktische und konditionelle Inhalte innerhalb eines Trainingskonzeptes, bei dem das Treffen von Entscheidungen unter variablem Raum-, Zeit- und Gegnerdruck im Vordergrund steht. Das Ziel ist es, eine optimale Lernumgebung für die Spieler und den Trainer selbst zu schaffen. Bei der Durchführung wiederum bleibt es elementar, den Spielern Zeit zu lassen, damit sie selbst Lösungen finden können. Fehler und teils stockender Spielfluss gehören, gerade bei neuen Eindrücken, zu diesem (selbstorganisiert und nichtlinear verlaufenden) Lernprozess, in den der Trainer unterstützend eingreift. Zu grundlegenden Konzeptionen dahinter finden sich vielerlei interessante Beiträge im englischsprachigen Blog von Mark O’Sullivan.
An dieser Stelle geht es des Weiteren keineswegs darum, Ideen im Sinne einer bloßen Copy-And-Paste-Nutzung freizugeben, sondern vielmehr, wie Pep Guardiola es sinngemäß nennt, um die Anregung „intelligenten Stehlens“ – was als eine Art der Inspiration zu verstehen ist.
Dass man dabei teilweise exakt dieselben Spielformen durchführt, die man irgendwo anders aufgeschnappt hat, ist unvermeidlich. Auch ich schaue gerne in die hervorragende Sammlung von Jens Schuster, Assistent bei der U17 Hoffenheims, auf das spanischsprachige Angebot von „The Rondo“ oder die Videos von Enric Soriano.
Dies alles muss jedoch den eigenen Konzeptionen, strategisch-taktischen Überlegungen sowie schlichtweg dem entsprechenden Spielniveau angepasst werden und ist nicht zuletzt von der Frage abhängig, was man selbst sicher coachen und vermitteln kann.
Die Feldgröße beispielsweise ist eine Komponente, die sich von Team zu Team, alleine aufgrund unterschiedlicher Altersstufen, erheblich unterscheiden kann, weshalb eine allgemeine Festlegung kaum sinnvoll ist, eigene Erfahrungen hingegen unerlässlich bleiben. Ähnlich verhält es sich mit der jeweiligen Zeitdauer, die man für einzelne Formen veranschlagt, welche wiederum von der Periodisierung abhängig ist. Nicht zuletzt lassen sich unzählige Punkteregelungen und Variationsmöglichkeiten erfinden, die bestimmte Verhaltensweisen provozieren oder schlichtweg eine Reaktion auf abweichende Zahlenverhältnisse darstellen.
Im Sinne der differenziellen Lernmethode nach Schöllhorn gilt es, die Spieler immer wieder mit neuen Herausforderungen zu konfrontieren und die zur Weiterentwicklung zwingend notwendigen Schwankungen zu erzeugen. Eine Möglichkeit dabei: Mit unterschiedlichen Feldformen experimentieren. Hierbei gilt der Fokus vor allem Positionsspielen und Spielformen, die allgemeine Spielkonzepte implizit vermitteln sollen, weniger um konkrete Spielausschnitte und das Nachstellen von Situationen.
Nicht nur metaphorisch gesprochen, verläuft unser Denken allzu oft recht linear oder rechteckig. Dabei besteht die Welt des Fußballs doch aus Dreiecken! Dementsprechend bietet sich diese Form auch bei der Feldgestaltung an. Die Passwinkel unterscheiden sich automatisch, wie auch bei den im weiteren Verlauf thematisierten Feldern, von denen in einem Rechteck. Vor allem Diagonalität wird dabei provoziert, auch in Bezug auf die Orientierung selbst.
Spielform 1: Dreifarbenspiel im Dreieck. Weiß und Blau agieren gemeinsam, während Rot verteidigt. Auf der langen Seite wird ruhig zirkuliert, ehe der Ball über den Mittelspieler oder mithilfe entsprechender Positionswechsel auf eine der diagonalen Seiten gebracht wird. Verlagert sich das Geschehen an den Schnittpunkt dieser, so ist schnelle Unterstützung sowie das Öffnen von Passwegen gefragt, während das Defensivteam aggressiv zugreift. Gelingt ihm eine Balleroberung, verteidigt fortan das Team, welches den Ballverlust verursacht hat. Die vorherigen Verteidiger positionieren sich so schnell wie möglich auf den Außenseiten. – auch wenn die Mannschaft im Zentrum den Ball zuvor verloren hat. In diesem Fall rückt das zuvor außerhalb positionierte Team nach innen. So ergibt sich eine ständig wechselnde, hochkomplexe Spielsituation, die einem fortwährend Aufmerksamkeit abnötigt.
Die jeweiligen Seiten lassen sich stets auf unterschiedliche Art und Weise zueinander anordnen, sodass sich der Fokus entweder auf eine eher vertikale oder horizontale Zirkulation legen lässt.
Eine Besonderheit bilden dabei in jedem Fall die spitz zulaufenden Ecken, welche einerseits eine Herausforderung im konstruktiven Ballbesitzspiel darstellen und andererseits für gezielte Pressingmomente und leitende Elemente genutzt werden können.
Spielform 2: Minitor-Dreieck. Im Beispiel ergibt sich ein Zahlenverhältnis von 6 gegen 4. Blau spielt auf Ballbesitz und erhält für eine bestimmte Anzahl von Pässen einen Punkt. Rot versucht wiederum, den Ball zu erobern und innerhalb einer festgelegten Zeitspanne in eines der drei Tore zu treffen, was ebenfalls mit einem Punkt belohnt wird.
Eine komplexere Form würde die Nutzung von zwei äußeren Neutralen im 4 gegen 4 plus 2 darstellen, bei der das ballerobernde Team stets die Wahl zwischen Ballsicherung und schneller Torerzielung hat.
Da diese Situationen sich teilweise schon zu extrem gestalten, lassen sich einerseits, wie gezeigt, die Ecken durch die Nutzung von Minitoren abstumpfen, andererseits wird die geometrische Form recht schnell zum symmetrischen Sechs- oder Achteck erweitert. Diese Möglichkeit nutzte beispielsweise Thomas Tuchel während des diesjährigen Trainingslagers in Bad Ragaz bei einer etwas größeren Spielform, siehe Video.
Auch Positionsspiele lassen sich auf solchen Spielfeldern vielfältig gestalten, vor allem durch die Nutzung von neutralen Spielern auf den Außenseiten. Diese lassen sich auf verschiedene Art und Weise den jeweiligen Teams zuordnen.
Spielform 3: End-To-End im Sechseck mit Neutralen. 4 Blaue spielen im Feld gegen 4 Rote. Jedem Team stehen bei Ballbesitz zum einen die neutralen Weißen, zum anderen ihre gleichfarbigen Teamkameraden außerhalb des Feldes zur Verfügung. Die äußeren Spieler haben jeweils einen Ballkontakt und dürfen sich den Ball untereinander nicht zuspielen. Ziel für Rot und Blau ist es sich von einem ihrer Mitspieler außerhalb des Feldes zu demjenigen auf der anderen Seite durchzukombinieren.
Spielform 4: Sechseck mit Wandspielern an Minitoren. Blau und Rot haben jeweils vier Spieler im Feld und zwei Spieler an den Seiten neben ihrem Tor. Ein Wandspieler steht am gegnerischen Tor und kann sich dahinter frei bewegen. Alle äußeren Spieler dürfen den Ball maximal einmal berühren. Über ruhiges Spiel aus einer Aufbaudreierkette heraus gilt es einen entscheidenden Pass in die Tiefe anzubringen, für den sich der Wandspieler in der Lücke anbietet. Die äußeren Spieler achten bei ihrer Positionierung vor allem auf die Höhe der Nebenmänner und passen sich dieser entsprechend an, sodass sie nicht auf einer Linie mit ihnen stehen. Im weiteren Verlauf fortlaufenden Wechsel der Positionen erlauben.
Ein weiteres Mittel, um beispielsweise dynamische Positionsbesetzung, passend zur jeweils verfügbaren Schnittstelle hervorzuheben, ist es weniger Spieler auf Außen einzusetzen als es Seiten gibt. Diese dürfen sich stattdessen frei bewegen und müssen eine optimale Positionierung finden. Das gleichzeitige Erhöhen der Eckenzahl von geometrischen Formen lässt sich letztlich über das unten dargestellte Zehneck bis zum Kreis als n-Eck fortführen, sodass die Optionen dabei noch deutlich gesteigert werden bis es keine Seiten im ursprünglichen Sinne mehr gibt.
Spielform 5: Zehneck. 6 Blaue gegen 6 Rote, ein neutraler Spieler. Bei Ballbesitz müssen 3 Spieler der jeweiligen Mannschaft außerhalb des Feldes sein, dürfen ihre Position jedoch, je nach Pressing des Gegners und Staffelung der Mitspieler fließend wechseln, mit Spielern innerhalb des Feldes tauschen und frei angespielt werden. Einerseits stellt dies vielfältige Anforderungen an die Kommunikation beider Teams, andererseits werden Rochaden aktiv eingefordert sowie ein passwegorientiertes Pressing gefördert.
Auch asymmetrische Varianten, wie diese von MR konzipierte, sind in einer weiteren Stufe denkbar. Sie schulen vor allem die Orientierung der Spieler im Raum. Ein Thema, über das in diesem Rahmen noch ausführlich zu berichten sein wird.