In diesem letzten Artikel wollen wir eine sehr kurze Abschlussdiskussion machen und die Leser zu eigenen Anregungen einladen.
Strukturell unterschiedliche Arten von Periodisierung?
In den bisherigen Artikeln ist den Lesern sicherlich aufgefallen, dass es bei den jeweiligen Arten der Periodisierung nicht immer um das Gleiche geht. Auch die wichtigsten Aspekte innerhalb der Konzepte unterscheiden sich. So bezeichnen die Blockperiodisierung, die klassische Periodisierung und die wellenförmige Periodisierung im Normalfall eher die Art der Periodisierung über eine bestimmte Zeit hinweg.
Die Blockperiodisierung zielt dabei verstärkt auf die Mesozyklen und eine Konzentration der zu trainierenden Fähigkeiten in diesen ab, während die klassische Periodisierung eher eine Hochform für den Wettbewerb über eine empathische Beeinflussung des Biorhythmus und gezielte Verbesserung des Körpers erreichen möchte. Die wellenförmige Periodisierung hingegen versucht sich über die Art des Trainings positiv zu definieren, indem das körperliche Maximum im Training durchgehend erreicht werden soll, ohne zu übertrainieren.
Die Coerver-Methode als Variante eines pyramidalen Aufbaus und die DFB-Jugendkonzeption hingegen sind Beispiele für eine einfache inhaltliche Konzeption. Damit sind sie Leitschemen für einen zeitlich weitreichenden Zeitraum ohne „peaks“ für einen Wettbewerb. Bei ihnen geht es um eine möglichst intelligente konstante Weiterentwicklung des Athleten in den fußballspezifischen Eigenschaften. Eine körperliche Periodisierung über einen Jahresablauf gibt es somit kaum; eher altersgemäße Entwicklungsziele. Sie dienen somit eher als Entwicklungsmodelle in der Jugendausbildung. Die taktische Periodisierung geht hierbei einen Mittelweg zwischen den erstgenannten und den langfristigen Konzepten. Es geht um eine konstante Spielerentwicklung – allerdings auf deutlich höherem Niveau – und gleichzeitig eine Periodisierung im klassischen Sinne über eine Saison hinweg.
José Mourinho sagte dazu passenderweise Folgendes:
„Der wöchentliche Trainingsaufbau fokussiert sich nur auf das nächste Spiel. Es gibt keinen Plan in einer bestimmten Phase im Dezember oder im Mai topfit zu sein und keine Planung im Vorhinein. Es gibt auch keinen Plan gegen Topteams auf einem höheren Niveau zu sein.“
Diese Meinung entspricht natürlich dem Leitpfaden der taktischen Periodisierung. In der taktischen Periodisierung wird schlicht alles auf eine bestimmte Art und Weise im Wechsel innerhalb dieses Rahmens über die Saison hinweg trainiert.
Eine Periodisierung über die Saison ist somit nicht nötig; und Mourinho hat vermutlich ausreichend Titel gefeiert, um als positives Beispiel für eine potenzielle Erfolgsmöglichkeit dieser Periodisierungsweise zu dienen. Was genau bedeutet das also für den Fußball?
Mehr Kreativität, weniger Anleihen?
Beim Fußball könnte es fortan in puncto Periodisierung weniger Aspekte aus der Leichtathletik geben. Die Gründe dafür sind relativ klar. Einerseits gibt es im Fußball nicht ein, zwei oder drei große Wettbewerbe pro Jahr, sondern einen durchgehenden Wettbewerb mit vielen, flexibel verteilten Höhepunkten.
Andererseits sind Fußballer in ihrer Ausbildung nicht auf einen einzelnen Aspekt fokussiert, sondern auf mehrere Aspekte, bei denen sie ein sehr hohes, aber kein extremes Niveau (wie 100-Meter-Sprinter in ihrer Disziplin z.B.) haben müssen.
Dadurch sehen die Anforderungen ganz anders aus. Wichtig wäre deswegen eine Methodik zu finden, welche diese Unterschiede betont. Die so entstandene Methodik sollte dann erforscht und empirisch untersucht werden. Beispielsweise könnte man unterschiedliche Arten der taktischen Periodisierung schaffen und diese vergleichen oder die taktische Periodisierung mit einer Trainingsweise mit ähnlicher saisonaler Periodisierung, aber ohne ganzheitlichen Ansatz vergleichen.
Natürlich würde sich dies wissenschaftlich gesehen schwer gestalten. Der Trainingsfortschritt bei Akteuren ist nicht einfach zu messen, trotz Laktattests. Letzteres ist bei Ansätzen wie von Verheijen oder der taktischen Periodisierung ohnehin ein zu vernachlässigender Parameter. Auch Beurteiler sind natürlich immer subjektiv und tun sich bei Bewertungen im Fußballbereich schwer.
Statische Verfahren wie TSR und PDO können zwar Auskünfte über den kollektiven Erfolg geben, allerdings sind diese Sachen ebenfalls mit vielen Störvariablen versehen. Darunter fallen zum Beispiel die unterschiedlichen Mannschaftsstärken. Vergleiche mit der Vorsaison, Vergleiche von Trainerkarrieren mit klaren Methodiken und viele Langzeitstudien könnten aber zumindest auf Dauer und bei passender Zahl helfen.
Diese Forschungen würden dem Fußball immerhin langfristig in seiner Entwicklung helfen. Ähnliches könnte in der Jugendausbildung versucht werden. Eine Messung der Entwicklung von Fußballfähigkeiten bei Jugendspielern und den darauffolgenden Erfolgen auf Profiniveau in einer auf eine sehr große Population angelegten Langzeitstudie könnte Wunder wirken. Dabei könnte man die Erfolge der ausgebildeten Spieler unter einer speziellen Methodik messen. Die Niederlande im historischen Kontext oder die Spanier und der DFB aktuell sind Paradebeispiele dafür, auch wenn man die dort vorhandenen konzeptuellen Änderungen leider nicht klar erfassen kann.
Dabei könnten die genauen Erfolge der Coerver-Methode, des Trainings nach Horst Wein oder weiteren Jugendkonzeptionen überprüft werden. Langfristig wären auch gegenseitige Anleihen und die Verbindung mit neuesten Erkenntnissen aus der Trainings- und Sportwissenschaft interessant.
Auch Verbindungen zwischen den auf Wettkampfpeaks fokussierten und den niveauerhaltenden Periodisierungskonzepten wären umsetzbar. Eine Kombination der Methodiken für unterschiedliche Phasen – beispielsweise eine Blockperiodisierung in der Sommervorbereitung, Wellenperiodisierung danach – oder eine Integration einzelner Aspekte in die taktische Periodisierung. Dies wird dort schon ansatzweise gemacht, da in der taktischen Periodisierung die Vermittlung der defensiven Inhalte priorisiert wird. Das könnte in anderen Bereichen angewendet ein weiterer Fortschritt sein.
Der Weg zu einem klaren Umgang der Öffentlichkeit mit den einzelnen Konzepten, ihrer Verbindung und der empirischen Untersuchung ist aber noch sehr lang.
Ein Einwand – und eine persönliche Meinung
Allerdings muss man auch sagen, dass im Breitensport durchaus viel getan wird. Es gibt viele Weiterbildungen einzelner Trainer, gute Ideen und viele tolle Umsetzungen auch von weniger bekannten Personen, wie es unser Gastautor Marco Henseling (vangaalsnase) mit seiner praktischen Umsetzung der taktischen Periodisierung bewies. Dabei ist auch schön zu sehen, dass dies sogar bis nach oben dringt.
Historisch gab es einzelne Trainer wie Cramer und Lattek, die sich mit einem eher wissenschaftlichen Hintergrund nach oben arbeiten konnten. Aktuell ist dies auch der Fall. In der Bundesliga kommen viele der erfolgreichsten Trainer eher aus dem Nachwuchsbereich, haben Sportwissenschaft oder Pädagogik studiert und nutzen ihre Erkenntnisse dabei im Training.
Spielverlagerung möchte da nicht allzu sehr hinterherhinken. In den nächsten Wochen und Monaten werden wir beziehungsweise ich auch versuchen, etwas mehr Theoriearbeit in Sachen Trainingswissenschaft zu geben. Dies ist zwar sehr zeitaufwändig und mit viel Recherchearbeit verbunden, doch ich hoffe, dass es ein umsetzbares Projekt wird.
Aktuell habe ich mich schon mit einigen interessanten Sachen beschäftigt, arbeite noch an der genauen Ausarbeitung. Wenn einzelne Leser sehr lesenswerte sportwissenschaftliche Artikel oder generelle Ideen haben, freue ich mich natürlich auf einen Hinweis darauf [ rm@spielverlagerung.com ]. Eventuell werden wir in den nächsten Monaten ein Forum gründen, falls wir herausfinden, wie, dann hoffe ich dort auf einen regen Austausch zu diesem Thema.
Abschließend möchte ich noch Marco Henseling für den tollen Gastbeitrag sowie unserem Leser und Bloggerkollegen TW für Korrektur- und Beraterarbeiten bei meinen Artikeln danken.